Sonntag, 25. Oktober 2015

Im Garten der großen Mutter

In unserem neuen Domizil, im Schutz von Hecken und Sträuchern, schwer von Herbstfrüchten, haben wir tiefschürfend Frackingprozesse und Gruppenritualdynamiken durchdacht, Trauerwunden betrachtet, uns mit Mutter Erde verbunden, ihrem Lied und ihrem Leid zugewandt, ein Leuchtfeuer entzündet, für eine weisere Zukunft und zur Erholung stand stets eine wärmende, leckere Wurzelsuppe bereit. Außerdem wurden die Geschenke von Mutter Erde in Form von Pflanzenölen- und Wassern genossen und das größte Geschenk von allen, unser Körper, mit Tai Chi und Tanz gefeiert, mit unseren Füßen auf der grünen Wiese, die uns täglich durchs Leben tragen und die Erde berühren. Aber auch gen Himmel ging der Blick und in die Ferne. Die kretische Schlangengöttin wurde gerufen, es wurden Mondgeister beschworen für Orakelkunst und Traummagie. Wir haben Mond und Sonne in Märchen und baltischen Mustern entdeckt und des nachts haben wir die Beine im Gold des Feuerscheins und die Arme im Silber des Mondlichts gebadet, sind in die Dunkelheit gekrochen, haben uns entblättert, im Geistermeer, umwogt, vom Flunkenflug der Feuersteine. Sterne leuchteten im Bauch von Mutter Erde und salziger Regen tropfte auf den Boden. Ein Ur-Wald-Dickicht der Gedanken. Zerfloss. Eulen riefen. Süßer Birkentee auf den heißen Lippen. Brikenreisig auf der Haut vertrieb auch die letzten Allüren, bis wir wirklich nur noch Haut und Knochen und Blut waren, durch den der Lebensatem strömt. In der kühlen Nachtluft, zwischen vibrierenden Tönen, neben dem fauchenden Zischen des Feuers, das alles verzehrt, ist so mancher an eine Grenze gestoßen.
Mutter Erde ich hör dein Rufen,
Mutter Erde ich hör dein Lied.
Mutter Erde ich hör dich Klagen,
Mutter Erde ich hör dein Leid.

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